06 Dezember 2008

Die Tageskommentare von Michael Winkler


Der Trebuchet war das größte Geschütz des Mittelalters, vor der Erfindung des Schießpulvers. Er war recht umständlich zu bedienen, hatte keine sehr hohe Feuergeschwindigkeit, aber wer genügend Geduld aufbrachte - und seine Truppen solange versorgen konnte - schaffte es, damit Burgmauern in Trümmer zu legen und einen Sieg zu erringen. In deutschen Landen hieß dieses Gerät Blide oder Pleide - ja , wirklich mit "d". Mit Pleite hatte der Trebuchet nichts zu tun, vielleicht abgesehen von der Tatsache, daß man bei Belagerungen durchaus eine Pleite erleben konnte.

Der Trichet hingegen ist der Chef der Europäischen Zentralbank. Er hat gerade den Leitzins um 0,75 Prozentpunkte reduziert, die größte Zinssenkung seit Bestehen der EZB. Jetzt ist das Geld billig, es fließt nur so in den Markt. Oder, besser, es könnte fließen, wenn die Banken weniger vorsichtig sein würden. Kredite gibt es nur noch gegen Sicherheiten, Bürgschaften oder Versicherungen. Die Versicherungsprämien sind inzwischen so hoch, daß die gesunkenen Leitzinsen da wenig helfen, denn sie wirken wie extrahohe Sonderzinsen. Unterm Strich hat der Herr Trichet einen Trebuchet auf den Euro abgefeuert. Und ob er damit eine Pleide erlebt oder eine Pleite, muß sich noch herausstellen.

Das Öl ist ja wirklich billig geworden, es kostet weniger als ein Drittel wie noch vor fünf Monaten. So schnell kann das gehen. Daß der Benzinpreis nur um ein paar Groschen herunter gegangen ist, sollte Sie nicht wundern. Jede Tankstelle ist eine Außenstelle des Bundesfinanzministeriums, bei der Sie als Belohnung für die gezahlten Steuern ein paar Liter Treibstoff mitnehmen dürfen. Wie praktisch alles in der Politik - ausgenommen die Flugreisen einer gewissen Bundeskanzlerin - hat der gesunkene Ölpreis einen Sinn. Damit graben die USA so im Vorübergehen dem Iran die Finanzmittel ab. Und Venezuela. Und Rußland, aber Rußland dürfte hinter den Kulissen eine Kompensation erhalten, eine Art Schutz- oder wenigstens Schweigegeld.

Gut ist der niedrige Ölpreis auch für China, die können billig einkaufen und werfen so weniger Dollar auf den Markt. Nur, leider, hat China wenig davon: Da der amerikanische Konsument ebenfalls Pleite ist, kann der leider keine chinesischen Waren mehr kaufen, was den chinesischen Staat vor ein ganz besonderes Dollarproblem stellt: Deren grüne Krätze ist zum größten Teil in US-Staatspapieren angelegt. Dieses Geld kann jedoch nie zurückbezahlt werden, da die US-Regierung hoffnungslos verschuldet ist. Höchstens die Druckerpresse könnte genug Material nachliefern, mit dem Ergebnis, daß die Rückzahlungen nur noch einen Bruchteil des Wertes besitzen. Wirklich liquide ist China nur mit einigen Milliarden Dollar, einem Zehntel bis höchstens einem Sechstel der mittlerweile 1900 Milliarden Dollar, die sie angehäuft haben. Einkaufen kann man nur mit flüssigem Geld...

Was wird China tun? Die "Barmittel" nehmen, um das eigene Volk zu beruhigen, wenn weiterhin die Fabriken schließen? Damit auf Einkaufstour gehen und alles von Bodenschätzen bis Konzernen einsacken, was noch vor dem Untergang des Dollars dafür zu haben ist? Die Armee aufbauen, für den Fall, daß eine Weltmeisterschaft angesetzt werden sollte? Vermutlich von allem ein bißchen.

Auch chinesische Parteifunktionäre sind nicht mehr als das: Parteifunktionäre. Sie sind in einem begrenzten Weltbild ausgebildet, haben sich in der Partei hochgedient und dabei nicht unbedingt Volks- oder gar Weltwirtschaft studiert. Kann ein solcher Parteifunktionär ermessen, welche Macht eine Billion Dollar in US-Staatspapieren darstellen? Es sind finanzpolitische Neutronenbomben, werden sie eingesetzt, stehen im Zielgebiet noch alle Häuser und Fabriken - nur wird darin kaum noch jemand wohnen oder arbeiten.

Es genügt leider nicht am Finanzmarkt zuzuschlagen. So wie die Finanzmärkte auf die reale Wirtschaft durchschlagen, wird ein ökonomischer Angriff mit einer realen militärischen Vergeltung beantwortet. Wer damit beginnt, muß folglich seine Armee in Bereitschaft haben, weil das sterbende Imperium nicht friedlich zusammenbrechen möchte, sondern sich zu einem letzten Rundumschlag aufbäumt.
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