01 Dezember 2008

Flüssigbomber von London: Blödsinn unvorstellbaren Ausmaßes


"Ein Massenmord unvorstellbaren Ausmaßes" hätte es werden können, so die Polizei, wenn - ja wenn! - da nicht die Polizei gewesen wäre. Die besetzte im August 2006 handstreichartig den Londoner Flughafen Heathrow und behauptete, mehrere Attentäter hätten geplant, Flugzeuge mit selbst gemischtem Flüssigsprengstoff in die Luft zu sprengen. Seitdem müssen Fluggäste Flüssigkeiten extra abmessen und in durchsichtige Plastikbeutel packen. Vor Gericht stellte sich das Ganze nun als Blödsinn unvorstellbaren Ausmaßes heraus.

London, Anfang August 2006. Der Flughafen Heathrow gleicht einem Tollhaus, schrieb ich auf meiner Website. An den Sicherheitsschleusen werden Passagiere gezwungen, Medizin- und Babyfläschchen zu öffnen, Hunderte von Flügen verzögern sich oder werden annulliert, Zehntausende von Gepäckstücken fehlgeleitet. Bewaffnete belagern den Airport wie bei einem veritablen Putsch, Fluggäste gucken entgeistert in die Mündungen von Maschinenpistolen. Der Grund für die Hysterie: vage "Erkenntnisse" der Londoner Polizei, wonach sich angebliche Terroristen verschworen haben sollten, mehrere Flugzeuge mit Flüssigsprengstoff während des Fluges in die Luft zu sprengen. Bis zu 3.000 Menschen hätten dabei sterben können sollen. Und nun das: "Der „Flüssigbomber“ Prozess löst sich in Luft auf", konstatierte am 9. September 2008 ein Blog über den Prozess gegen die angeblichen Flüssigbomber von London. "Drei mutmaßliche Flüssigbomber in England verurteilt", titelte dagegen Spiegel Online. Tja, so unterschiedlich kann Realität dargestellt werden. Glaubt man der einen Schlagzeile, ist an dem Rummel um die angeblichen Flüssigbomber von 2006, die mehrere Flugzeuge hätten sprengen wollen, nichts dran. Glaubt man Spiegel Online, hatte doch alles seine Richtigkeit. Es kommt eben darauf an, ob man die Flasche nun als halb voll oder halb leer ansieht.

Ich würde sagen, die Flasche ist sogar ganz leer: Tatsächlich wurden am 8. September nur drei von acht Angeklagten verurteilt, allerdings lediglich wegen einer Mordplanung. Planen kann man natürlich alles Mögliche, und in irgendeinem Zusammenhang mit Flugzeugen stand die angebliche Planung schon gar nicht. Bei vier weiteren Männern konnte sich die Jury in Woolwich im Südosten Londons zu keinem Urteil durchringen. Ein achter wurde gleich komplett freigesprochen - ausgerechnet der angebliche "Anführer" des Komplotts.

Bleibt die Frage, wozu der überfallartige Auftritt der Polizei am Londoner Flughafen dann eigentlich diente - außer der Einschüchterung der Bevölkerung und der Förderung der Sicherheitsindustrie. Denn beide haben seitdem alle Hände voll zu tun. Neben den üblichen Schikanen müssen sich die Fluggäste einer albernen Abfüll- und Verpackungsarbeit widmen. Und die Sicherheitsleute haben eine weitere Kontrollaufgabe.

Und diese Arbeit will man den Flughafen-Schnüfflern nicht so einfach wieder wegnehmen. Die Beschränkungen würden in Kraft bleiben, erklärte die britische Regierung gegenteiligen Forderungen zum Trotz. Der Fall, der außer der Chuzpe der Sicherheitsbehörden eigentlich gar nichts gezeigt hat, habe gezeigt, daß es möglich sei, aus einfachen Zutaten Flüssigbomben herzustellen.

Auch das kann der Fall freilich nicht gezeigt haben. Denn aufgrund der Risiken und des auffälligen Gestanks der Zutaten ist es ganz unmöglich, an Bord eines Flugzeuges unauffällig Flüssigsprengstoff herzustellen.

In Wirklichkeit war an dieser Vorstellung überhaupt nichts dran. Und das, obwohl die Ermittler die Beweise als bisher die besten in einem britischen Terror-Verfahren betrachtet hätten, so die BBC.

Da staunt der Fachmann, und der Fluggast wundert sich. Und da möchte man über die anderen Terror-Verfahren lieber gar nicht näher nachdenken.
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