07 März 2006
Etwas ist anders im Staate Deutschland
Auch dieses Mal ist es lange her, als ein Dorfbewohner, sein Name war Gesell, eine geniale Idee hatte. Um den Handel zwischen den Menschen zu erleichtern, schlug er den Bürgern des Dorfes eine Art Joker vor, eine Währung. Die Vorteile, so Gesell, wären enorm. Keiner müsse mehr umherlaufen, um z. B. sein Gemüse gegen ein paar Schuhe zu tauschen. Nein, das "neue" Geld, wie er es nannte, würde als sicherer Zwischenspeicher gegenüber den Waren fungieren. Gemüse gegen Geld und Geld gegen Schuhe. So einfach war das.Damit sich nun aber nicht das ganze Geld in die Hände weniger verirrt, zahlt jeder, der es benutzt, eine Gebühr an die Allgemeinheit, sagte Gesell auf dem Marktplatz, als er zu den Bürgern sprach. Diese Gebühr, auch Umlaufsicherung genannt, sorgt dann dafür, dass niemand unser "neues" Tauschmittel Geld hortet. Außerdem konnte die Gemeinde die Einnahmen aus der Umlaufgebühr für viele gemeinnützige Dinge heranziehen, ohne sich zu verschulden und in Abhängigkeit zu geraten. "Das ist nicht fair!", rief da ein Kaufmann aus der Menge. "Je mehr ich arbeite und demnach auch verdiene, desto mehr Gebühren muss ich zahlen!" "Nicht, wenn du das übrige Geld zu einem Bankhaus bringst, damit andere es benutzen können," antwortete Gesell. "Fakt ist", fuhr Gesell fort, "dass nur derjenige diese Gebühr bezahlt, der das Geld in den Händen hält."Hat also jemand mehr Geld, als er braucht, dann kann er sich die Gebühr sparen, indem er das übrige Geld zur Bank bringt. Erst wenn sich ein anderer Bürger dieses Geld leiht, fallen Gebühren an die Allgemeinheit an. Aber viel wichtiger ist, dass die Bauern, Sattler, Hofschmiede und all die anderen Handwerker keine Zinsen zahlen müssen, wenn sie sich für eine Maschine zur Herstellung von Waren Geld borgen müssen. Somit würden auch die Preise stabil bleiben.Die Umlauf-Gebühr lag bei 6 Prozent im Jahr. Mit anderen Worten: wenn ein Bürger 100 Taler ein Jahr lang zu Hause hortet oder einfach nur so mit sich herumschleppt, dann muss er 6 Taler Umlauf-Gebühr zahlen. Gesell fuhr mit seinen Erklärungen fort: Würde er stattdessen aber die 100 Taler bei einem Bankhaus aufbewahren, um somit den anderen Kaufleuten, Arbeitern und Bürgern das Tauschmittel zugänglich zu machen, dann müsste er diese Gebühr nicht zahlen.Gesagt, getan. So folgten sie der Theorie von Gesell und man konnte - ohne zu übertreiben - sagen, dass es allen Menschen gut ging. Die Preise blieben über Jahrzehnte stabil und der Handel erblühte genauso wie der Verstand der Menschen. Die Wochenarbeitszeit betrug selten mehr als 20 Stunden. Sicher gab es auch richtig reiche Menschen unter ihnen, aber es störte niemanden und es gab auch keinen Neid. Jeder wusste schließlich, dass sich die Reichen alles selber erarbeitet haben. In den Bierstuben der Gemeinden, die nichts anderes kannten als das zinslose Geld, erzählte man sich Geschichten, wonach in anderen Ländern Kaufleute nur von "ihren" Ländereien und "ihrem" Geld reicher wurden. "Ja", sagte ein Fremder, "unglaublich aber wahr, ohne zu arbeiten werden diese Menschen nur durch Zinsen und Mieteinnahmen immerzu reicher". Das Volk arbeitet für diese Menschen tagein, tagaus und das umso härter, je höher der Zins und natürlich die Vermögen sind. Ferner wurden sie durch "ihren" Besitz immerzu bedeutungsvoller. Sie entschieden über Krieg und Frieden. Sie verkauften des Bürgers Land, um Gelder für die Oberschicht zu bekommen. Sie hievten sich von einem Treppchen auf das nächste und hießen plötzlich Adel, König und Kaiser. Die Zuhörer schüttelten ungläubig den Kopf, das soll Wirklichkeit sein? Das würde sich doch kein normaler Mensch gefallen lassen, rief da ein anderer in den Raum und alle lachten laut den Fremden aus.Da stand Gesell auf und sagte, dass es sehr wohl der Wahrheit entsprechen könne, was da der Fremde erzählt. Auch er habe davon gehört, dass es in fernen Ländern möglich sein soll, Geld nur gegen Zins zu verleihen. "Andernfalls?" fragte ein älterer Mann. "Andernfalls", sagte Gesell und ging sich mit der Hand durch den Bart, "andernfalls bekommen die Menschen nicht das Tauschmittel Geld". Ein Raunen ging durch die Kneipe. Das Wort Zinsknechtschaft machte die Runde. Der Wirt rief in die Menge: "Dann müsste ich also jedes Jahr mehr Geld von euch für das Bier verlangen, denn der Boden, auf dem diese Kneipe steht, wäre demnach Kapital und dieses, wenn ich das richtig verstanden habe, steigt in diesen Ländern jedes Jahr durch Zins und Zinseszins." Der Wirt weiter: "So aber ist die Miete klein, denn sie stieg noch nie. Ferner sollte es doch nur logisch sein, dass die Mieteinnahmen an die Allgemeinheit fließen. So befriedigt jeder Bürger, der hier etwas trinkt, nicht nur seinen Durst." Ein Bauer fügte hinzu: "Und ich müsste für die Kredite, die ich aufgenommen habe, um meine Geräte zu kaufen, welche Lebensmittel für uns alle herstellen, jedes Jahr mehr Zinsen zahlen. Dann müsste ich logischerweise auch jedes Jahr mehr Geld für meine Waren verlangen?!"Es wurde still im Raum. Gesell stand auf und blickte in die Runde, dann sprach er mit leiser Stimme: "Schrecklich die Vorstellung, was die Menschen dieser Länder bald bereit sind zu tun, und das nur, weil eine Minderheit ihnen das Tauschmittel Geld tagein tagaus ein bisschen mehr entzieht."
Jörn Horstmann
Quelle:http://www.das-gibts-doch-nicht.de
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
0 Kommentare:
Kommentar veröffentlichen