Dr. Iwan Götz
Warum hat Deutschland keinen Friedensvertrag?
Fangen wir mit dem, was in jedem Gespräch notwendig ist, an: mit der Definition
des Gegenstandes.
Was heißt also "Friedensvertrag"? Semantisch gesehen ist dieser Begriff doppelt
gemoppelt, denn "'Vertrag" kommt vom "Vertragen" und "sich vertragen" bedeutet
"Miteinander im Frieden leben".
Hat Deutschland keinen Friedensvertrag, so ist es also klar, daß jemand sich nicht
mit den Deutschen vertragen will. Warum das so ist sehen wir uns genauer an. Es
gibt natürlich auch eine andere Definition.
Vertrag: Rechtsgeschäft, das auf der erklärten Willensübereinstimmung zweier oder
mehrerer Parteien zur Herbeiführung eines einheitlichen Rechtserfolgs beruht.
Friedensvertrag: völkerrechtlicher Vertrag, durch den der Kriegszustand zwischen
zwei oder mehreren Staaten beendet wird. Er enthält als wesentliche Bestimmung
die Wiederherstellung friedlicher Beziehungen zwischen den kriegsführenden Parteien.
"Hören" wir uns altera pars an. Unter der Überschrift: "Ein Schreckgespenst ohne
jegliche Relevanz" gibt uns die "Berliner Morgenpost" vom 13. Mai 2000 folgende
Antwort (von Hansgeorg Bräutigam):
Berlin - Das Schreckgespenst Reparationen ist wieder aufgetaucht. Reparationen, so
nennt man die den Besiegten eines Krieges im Friedensvertrag auferlegten Geld-,
Sach- und Dienstleistungen zur Wiedergutmachung der von den Siegerstaaten erlittenen
Verluste und Schäden. Nach dem Zweiten Weltkrieg forderten die Siegermächte
in Anwendung angloamerikanischer Rechtspraxis Reparationen zur Wiedergutmachung.
In zahlreichen amtlichen Erklärungen waren die Kriegsziele und damit
verbunden die deutlichen Forderungen nach Wiedergutmachung durch das Deutsche
Reich formuliert. Man kann sie in der Jalta-Erklärung und im Jalta-Protokoll vom
11. Februar 1945 nachlesen. Auch das Potsdamer Abkommen vom 2. August 1945 ist
unmissverständlich.
In der Folge verfügte das am 21. September 1949 in Kraft getretene Besatzungsstatut
für die Bundesrepublik Deutschland die Beschlagnahme deutscher Vermögens-
werte, Reparationszahlungen sowie die Entflechtung der deutschen Wirtschaft. Erst
im Petersberg-Abkommen vom 22. November 1949 gelang es dem damaligen Bundeskanzler
Konrad Adenauer, die Reparationslast zu mindern. Die geleisteten deutschen
Reparationen an die Westmächte werden mit 517 Millionen Dollar beziffert.
Darunter fällt die deutsche Handelsflotte, das konfiszierte Auslandsvermögen und
die Erträge von Demontagen der deutschen Industrie. Die Sowjetunion verpflichtete,
durch Befehl Nr. 32 des Obersten Chefs der sowjetischen Militärverwaltung in
Deutschland, am 12. Februar 1948 die von ihr eingesetzte Deutsche Wirtschaftskom1
mission, die Reparationsleistungen aus ihrer Besatzungszone zu überwachen. Nach
westlichen Berechnungen zog die Sowjetunion Reparationsleistungen im Wert von
13 Milliarden Dollar (!) aus der DDR.
1954 wurde das Kapitel für beide Teile Deutschlands abgeschlossen. Und es besteht
kein Raum mehr, das Reparationsbuch erneut aufzuschlagen.
In den sogenannten Pariser Verträgen wurde das Besatzungsstatut abgelöst und der
Bundesrepublik Deutschland die Souveränität übertragen, allerdings, vorbehaltlich
der Rechte und der Verantwortung der drei Mächte in Bezug auf Berlin und auf
Deutschland als Ganzes einschließlich einer Wiedervereinigung Deutschlands und
einer 'friedensvertraglichen Regelung'. Die Sowjetunion verzichtete gegenüber der
DDR auf weitere Reparationen.
Der denkbare Einwand, solange kein Friedensvertrag geschlossen sei, könne das
Reparationsgespenst wiederbelebt werden, ist unerheblich. Das wiedervereinigte
Deutschland bedarf keines Friedensvertrages mehr. Es wird auch keinen mehr
geben.
Nach allgemeiner Auffassung umfassten die Vorbehaltsrechte der alliierten Siegermächte
das Recht zur endgültigen Festlegung der Grenzen Deutschlands. Dies ist
inzwischen geschehen. Seit dem 5. Mai 1990 wurde in den 2-plus-4-Verhandlungen
zwischen den Außenministern der USA, der Sowjetunion, Großbritanniens, Frankreichs
und beider deutscher Staaten über den Verzicht der Vorbehaltsrechte und die
Wiedervereinigung beraten.
Am 12. September 1990 kam es in Moskau zum Abschluss des „Vertrages über die
abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland". Die Präambel bringt den
gemeinsamen Willen zum Ausdruck, im Sinne der Vereinten Nationen und der Prinzipien
der Schlußakte von Helsinki eine dauernde Friedensordnung in Europa zu
schaffen, zu der sich 35 Staaten in der zweiten KSZE-Konferenz über Menschenrechte
bereits Ende Juni 1990 in Kopenhagen bekannt hatten. Die bis dahin offengebliebene
Ostgrenze Deutschlands ist im Vertrag endgültig festgelegt. Mit diesem Vertrag
ist daher die Nachkriegszeit beendet und eine europäische Friedensordnung
geschaffen. Mit allen anderen ehemals Krieg führenden Staaten sind die
Beziehungen wiederhergestellt, die nach moderner Staatenpraxis einen Friedensvertrag
überflüssig machen.
Der ehemalige Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher berichtet, dass es aus
Anlaß der Verhandlungen über die Festlegung der deutschen Ostgrenze noch einmal
eine Erörterung gab, ob es zusätzlich eines Friedensvertrages oder einer friedensvertragsähnlichen
Regelung bedurfte. Genscher zitiert dazu die Protokollerklärung:
,,Die Bundesregierung schließt sich der Erklärung der vier Mächte an und stellt
dazu fest, daß die in der Erklärung der vier Mächte erwähnten Ereignisse und
Umstände nicht eintreten werden, nämlich dass ein Friedensvertrag oder eine friedensvertragsähnliche
Regelung nicht beabsichtigt sind."
Der französische Außenminister, der den Vorsitz führte, erklärte zum Protokoll: ,Ich
stelle Konsens fest.'
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"Damit", so sagt Genscher, war die Sorge vor unübersehbaren Reparationsforderungen
von den Schultern genommen. Das Kapitel ist geschlossen. Kein Friedensvertrag
ist mehr nötig."
Am 17. Juli 2000 beschäftigte sich die gleiche Zeitung wieder mit der LESERFRAGE:
Warum schloß Deutschland nie einen Friedensvertrag? Das fragten, unabhängig
voneinander, N. Hannack und W. Hoffmann.
"Friedensverträge sind klassische völkerrechtliche Vereinbarungen zur Beendigung
des Kriegszustandes zwischen Staaten und in der Regel mit der Regelung territorialer,
politischer und finanzieller Kriegsfolgen verbunden.
Daß für Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg kein Friedensvertrag zustande
kam, hat mit der Teilung Deutschlands und dem Bestreben der vier Besatzungsmächte
zu tun, ihre politischen Vorstellungen durchzusetzen. So verlangte die Sowjetunion
eine vertragliche Friedensregelung, um zunächst eine Neutralisierung Gesamtdeutschlands
und später die Zweistaatlichkeit durchzusetzen. Beides war für die
Bundesrepublik und den Westen unakzeptabel.
Ersatzweise wurde der Kriegszustand dann durch einseitige Erklärungen beendet.
Als sich 1990 die Wiedervereinigung abzeichnete, lehnte es Bonn ab, sie 45 Jahre
nach Kriegsende auf Grundlage eines Friedensvertrages zu vollziehen. Dies hätte
nämlich die Mitsprache und eventuellen Forderungen aller 52 Staaten bedeutet, die
von Deutschland angegriffen worden sind oder in den Krieg gegen Deutschland
eingetreten waren. Stattdessen schlossen die Bundesrepublik und die DDR am 12.
September 1990 den "Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf
Deutschland". Op.
Der Verfasser des 1. Artikels, H. Bräutigam, habe nicht ohne Geschick die Frage des
Friedensvertrages wegdiskutiert, indem er nicht den Friedensvertrag selbst, sondern
nur einen Bestandteil davon, nämlich die Reparationszahlungen in den Mittelpunkt
stellte und gleichzeitig versuchte, einen Keil zwischen die gleichgesinnten "Siegermächte"
zu treiben: "Die geleisteten deutschen Reparationen an die Westmächte
werden mit 517 Millionen $ beziffert" und "Nach westlichen Berechnungen zog die
Sowjetunion Reparationsleistungen im Wert von 13 Milliarden Dollar (!) aus der
DDR".
Mir kommen bald die Tränen wie böse doch die Russen sind! 13 Milliarden Dollar
(!) - das ist schlimm. Das ist sehr schlimm. Ist es aber schlimmer als die Tatsache,
daß Adenauer zu den lächerlichen 517 Millionen $ über 100.000.000.000 $ "Entschädigung"
für die Gründung des Staates Israel bezahlte? Nicht, daß hier ein Mißverständnis
entsteht: Adenauer bezahlte nicht aus seiner eigenen Tasche ... Man kann
mitunter die Wahrheit von der Lüge nur im Kontext ihrer Entstehung unterscheiden;
sehen wir uns also den geschichtlichen Kontext an. Im Gegensatz zu den
Schreiberlingen der beiden Artikeln gehe ich davon aus, dass der II. Weltkrieg nicht
beendet ist und gegen Deutschland Krieg in anderer Form fortgesetzt wird. Dabeigehe ich von folgenden Überlegungen aus: Alle im Zweiten
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