28 April 2009

Verbraucher fragen - und werden abgeschreckt, abserviert und abkassiert!‏


am 1. Mai 2008, also fast auf den Tag genau vor einem Jahr, trat das neue Verbraucherinformationsgesetz (VIG) in Kraft, und es ist Zeit Bilanz zu ziehen. Ein Jahr lang konnten wir dieses Gesetz prüfen und herausfinden, ob es dem Verbraucher nutzt. Diese Frage können wir nun beantworten, denn foodwatch hat die Probe aufs Exempel gemacht und das Gesetz einem Praxistext unterzogen. Die Ergebnisse sind erschreckend: In der aktuellen Form ist das VIG für den Verbraucher so gut wie nutzlos. Fragen wie: "Welches Mineralwasser ist mit Uran belastet?" oder "Wohin wurde der Gammelkäse geliefert?" werden nicht oder nur unzureichend beantwortet. Das erklärte Ziel, den Bürgern umfassende Informationsrechte zu garantieren, wird nicht eingelöst. Durch zahllose Ausnahmeregelungen ist das Gesetz so löchrig wie ein Schweizer Käse. Und die Löcher sind so groß, dass die Lebensmittelhersteller bequem hindurchpassen.

Die Verbraucher werden hingehalten
Von 29 Anfragen, die wir den Behörden stellten, wurden innerhalb von vier Monaten lediglich 6 beantwortet. Das heißt, knapp 80 Prozent der Fragen blieben unbeantwortet! Der ehemalige Verbraucherschutzminister Horst Seehofer hatte sein Gesetz als "Meilenstein für den Verbraucherschutz" gelobt und insbesondere versprochen, jetzt würden endlich die "schwarzen Schafe" genannt. Doch gerade diese werden nicht genannt. Und: In fast allen Fällen sind die gesetzlich festgelegten Fristen überzogen worden, so dass wir bei einzelnen Anfragen nach nunmehr acht Monaten immer noch keinerlei abschließende Antwort, und sei es nur einen Ablehnungsbescheid, erhalten haben.

Wirtschaftsinteressen vor Gesundheitsschutz - ein Beispiel aus der Praxis
Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) gab im August 2008 mehrere Warnmeldungen heraus, so zum Beispiel über "nicht für den menschlichen Verzehr geeigneten Käse, hergestellt in Italien". Daraufhin wollten wir von dem Amt wissen, um welches Produkt von welchem Hersteller es sich denn konkret handelt. Nach einer Wartezeit von über zwei Monaten (!) haben wir erfahren, dass wir die erbetene Information wahrscheinlich nicht (!) erhalten werden. Und das, obwohl die Meldung als so genannte "W-Meldung" eingestuft worden war, was bedeutet, dass von diesen Lebensmitteln ein Risiko für die menschliche Gesundheit ausgeht! In diesem Fall sogar ein besonders hohes Risiko, da die im Käse gefundenen Listeriosen schlimmstenfalls zu einer Hirnhautentzündung führen, die bekanntlich tödlich verlaufen kann!

Krebsgift Acrylamid - späte Auskunft
Acrylamid steht im Verdacht Krebs auszulösen und befindet sich in unterschiedlicher Konzentration in allerlei Chips und leckerem Gebäck. Den Herstellern und Behörden liegen Tausende von Messergebnissen vor. Wir haben am 1. August (!) 2008 das zuständige Amt um die Übersendung der Daten gebeten. Die haben wir im Dezember (!) dann auch bekommen - allerdings anonymisiert, das heißt ohne Hersteller- und Produktnamen! Die Herausgabe der Produktnamen sollte bis spätestens Mitte Januar 2009 entschieden werden. Tatsächlich erhalten haben wir die Daten erst am 18. März 2009! Mehr als sieben Monate mussten wir auf die Liste, die eine Kaufentscheidung nach Acrylamidgehalt ermöglicht, warten. Inzwischen ist sie endlich für alle Verbraucher auf der Internetseite des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit erhältlich.

Hohe Gebühren: Verbraucher werden abkassiert
foodwatch kritisierte von Anfang an die in dem Gesetz enthaltene Gebührenregelung, da Gebührenbescheide in abschreckender Höhe zu erwarten waren. Was wir dann allerdings in unserem Praxistest erlebt haben, übertraf unsere schlimmsten Befürchtungen: Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, das wir in Sachen Gammelkäse befragten, informierte uns darüber, dass sie unsere Anfrage nicht beantworten würden, und teilte uns gleichzeitig mit, dass wir für einen "förmlichen Ablehnungsbescheid" eine Gebühr zwischen 300 bis 500 Euro zu erwarten hätten. Eigentlich fanden wir es schon unverschämt, überhaupt für die Beantwortung unserer Fragen bezahlen zu müssen. Dass wir dann aber sogar für einen Ablehnungsbescheid zwischen 300 und 500 Euro zahlen sollten, machte uns fassungslos.

Aber damit leider nicht genug: Andere verlangten das Geld sogar im Voraus! Die Behörden in Bielefeld, Unna und Viersen, bei denen wir nach den Ergebnissen der amtlichen Lebensmittelüberwachung im Fleischbereich gefragt hatten, setzten uns darüber in Kenntnis, dass sie die Arbeit erst nach Eingang eines "Vorschusses in Höhe von 1000,- Euro" aufnehmen würden!

foodwatch wird für ein neues Gesetz kämpfen - unterstützen Sie uns!
Damit sollte klar sein: Für Verbraucher, die auf den Euro gucken müssen, ist dieses Gesetz jedenfalls nicht gemacht. Nicht nur, dass der bürokratische Aufwand abschreckt, nein, auch die Höhe der Gebühren wird mit Sicherheit verhindern, dass die alleinerziehende Mutter, der Senior mit der kleinen Rente, die Studentin oder der Bürger ohne Arbeit dieses Gesetz jemals in Anspruch nehmen werden.

Der Praxistest von foodwatch zeigt überdeutlich: Dieses Gesetz ist an Zynismus kaum zu überbieten. Es verhöhnt und verachtet die Verbraucher und stellt unserer Demokratie ein Armutszeugnis aus!
  • Quelle
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