12 Oktober 2006
Diktator Bush
von Dave Lindorff
Der neueste Warner vor einem dritten Bush-Krieg ist der frühere demokratische Senator und gescheiterte Präsidentschaftskandidat Gary Hart, langjähriger Experte in nationalen Sicherheitsfragen. Er erklärte, dass ferngesteuerte Raketen (Drohnen) und Spezialisten einer Sondereinheit schon über und in Iran operieren und bereits mehr als 400 Ziele für die amerikanischen Bomber und Cruise-Missiles ausgemacht und vermessen haben. Das sind Vorbereitungen für einen Luftschlag, der nach meinen eigenen Nachforschungen schon im späteren Oktober kommen könnte. (Vgl. dazu den Artikel «Vorboten des Krieges?» auf Seite 4 dieser Ausgabe) […]Das tatsächliche Entsenden von Spezialeinheiten in den Iran und die Vorbereitung von Marine-Schlachtschiffen für den Einsatz im iranischen Aufmarschgebiet machen es wahrscheinlicher, dass ein wirklicher Angriff unmittelbar bevorsteht. Die Kunde, dass reguläre Armeeeinheiten für eine dritte Entsendung in die Region vorbereitet werden und dass die Bush-Administration die Richtlinien ändert, um längere und häufigere aktive Engagements der Nationalgarde-Einheiten in Übersee zu ermöglichen, und dass die Truppen im Irak Befehle erhalten haben, ihre Heimkehr zu verschieben, weist auch darauf hin, dass etwas Grösseres in Vorbereitung ist. […]Normalerweise würde man erwarten, dass ein wirkliches Zeichen für einen bevorstehenden Angriff ein Beschluss des Kongresses wäre, der die Regierung zur Gewaltanwendung autorisierte. Vielleicht auch ein Versuch der Administration, beim Sicherheitsrat der Vereinten Nationen Unterstützung für einen Angriff zu bekommen. Aber das passiert ganz offensichtlich nicht. Aus gutem Grund. Bush würde niemals die Zustimmung des Sicherheitsrat für eine Militäraktion gegen den Iran erreichen, nachdem er dessen Mitglieder mit einem ganzen Packen grober Lügen beleidigt hat, den er und Colin Powell 2003 vorlegten, als sie das letzte Mal probierten, eine solche Unterstützung – damals für den Angriff auf den Irak – zu bekommen. Auch der Kongress dürfte ihm diesmal wohl kaum sein Okay geben, weil das ganze Repräsentantenhaus und ein Drittel der Senatoren am 7. November neu gewählt werden, und zwar von einer Wählerschaft, die genug vom Krieg hat und die wütend über die Verschwendung von einer halben Billion Dollar ist. Sie hat es satt, Tausende von in Fahnen eingewickelte Särge und physisch und menschlich zerbrochene GIs nach Hause zu holen, ohne dass mehr dabei herausgekommen wäre als zwei ehemalige, völlig zerrüttete und vom Krieg zerrissene Nationen im Nahen Osten.Das Problem ist, dass Bush die Verfassung so oft zu wertlosem Müll degradiert hat, dass sie jetzt nur noch ein historisches Artefakt darstellt, und er glaubt daher, dass er gar keine Zustimmung der Vereinten Nationen oder des Kongresses braucht, um seinen gefährlichsten, blutigsten und unmoralischsten Krieg überhaupt anzufangen.Laut diesem überführten Kriminellen im Weissen Haus (Bush wurde vom Supreme Court schuldig gesprochen, die Kriegsverbrechensstatuten der USA verletzt zu haben, und von einem Bundesdistriktgericht, das Gesetz, das die Überwachung des auswärtigen Geheimdienstes regelt, und den vierten Zusatzartikel zur Verfassung gebrochen zu haben) habe er die Befugnis als «Oberkommandierender in Kriegszeiten» zu handeln, wie es ihm passt, auch wenn er Verfassung und Gesetze bricht.Der «Krieg», um den es geht, ist der sogenannte «Krieg gegen den Terror», und der Titel «Oberkommandierender» stammt aus dem Wortlaut des 2. Artikels der Verfassung, in dem die Gründerväter sagten, ein Präsident sei gleichzeitig der oberste General der Armee. Mit Rückendeckung seines Anwalts Alberto Gonzales, der zur selben Bande gehört und Chef dessen ist, was kurioserweise einmal das Justizdepartement genannt wurde, behauptet Bush, dass der Kongress, als er ihn im Sog der Angriffe des 11. September per Abstimmung ermächtigt hat, militärische Gewalt anzuwenden (Authorization for the Use of Military Force, AUMF) – eine Verfügung die ihm erlauben sollte, Usama bin Ladin und seine Taliban-Gastgeber in Afghanistan zu verfolgen –, ihm damit gleichzeitig die Macht übertragen habe, als Oberkommandierender in einem Krieg gegen den Terror zu agieren, der niemals enden werde und der überall hin – in der ganzen Welt und innerhalb der Grenzen der Vereinigten Staaten – ausgedehnt werden könne.Er behauptet mit anderen Worten, dass die Kongress-Verfügung AUMF aus ihm einen Generalissimo, einen Diktator, gemacht habe, solange es aus- oder inländische Terroristen gibt, die Amerikanern oder amerikanischen Interessen schaden könnten.Wir müssen uns nur daran erinnern, wie sorgfältig Bush in seiner Rede vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen seine Worte wählte, als er die iranischen Führer als «Unterstützer des Terrors» bezeichnete. Seien Sie gewarnt: Das war ein bewusst gewähltes linguistisches Konstrukt. Er versicherte sich damit seines Rechts, im Rahmen dieses heuchlerischen «Kriegs» gegen den Terror den Iran auf der Basis der schon lange überholten und schwer missdeuteten Verfügung (AUMF) von 2001 anzugreifen.Wenn das amerikanische Volk und seine vorgeblichen Vertreter im Kongress nicht schleunigst handeln, um klarzustellen, dass die AUMF-Verfügung nicht für einen Angriff auf den Iran gilt und dass sie aus dem Präsidenten keinen Diktator gemacht hat, der die Macht hat, nach Belieben Kriege zu führen, dann wette ich, dass wir noch vor dem Wahltag im November mit dem Iran im Krieg sind.Wir wollen kein Blatt vor den Mund nehmen: Dies hat gar nichts mit einer Bedrohung Amerikas zu tun. Selbst bei einer allergrosszügigsten Interpretation der hochgejubelten «Beweise» der Administration über angebliche Bemühungen des Iran, sich nuklear zu bewaffnen, ist der Iran sicher die nächsten vier Jahre oder länger – einige Schätzungen sprechen von 10 bis 15 Jahren – nicht in der Lage, Atomwaffen zu besitzen. Das bedeutet viel Zeit, um dies auf diplomatischem Weg erfolgreich zu verhindern. Es ist unglaublich, aber es geht hier um eine nationale Wahl. Um es deutlich zu sagen, wir haben einen Präsidenten, der bereit ist, das Leben Zehntausender amerikanischer Soldaten und Hunderttausender unschuldiger Iraner aufs Spiel zu setzen, nur um zu verhindern, dass der Kongress in die Hände der Demokratischen Partei fällt. Warum sollte Bush bereit sein, so etwas gegen den Willen seiner Generäle, gegen den Willen des amerikanischen Volkes und gegen alle Logik und allen Anstand zu tun?Ganz offensichtlich hat er Angst – Angst, dass ein demokratischer Kongress ihn schliesslich zur Verantwortung für seine immer zahlreicheren Verbrechen gegen die Nation und das amerikanische Volk ziehen wird. Deshalb versucht er verzweifelt, den Kongress, solange dieser noch unter republikanischer Führung steht, dahin zu bringen, eine Gesetzesvorlage zu verabschieden, die ihn und seine Untergebenen rückwirkend von der Schuld für kriminelle gesetzesbrecherische Handlungen gegen Verfassung und Gesetze entbindet. Deshalb rast er im Land umher und sammelt Geld für Kandidaten, sogar für liberale republikanische Kandidaten, deren Einstellungen er persönlich verabscheut.An diesem Punkt angelangt, ist das einzige, was diesen Präsidenten noch kümmert, die Rettung seines eigenen armseligen Arsches. [...]Er darf auf keinen Fall mit diesem letzten Verbrechen davonkommen: einen Krieg vom Zaun zu brechen – nur um seines eigenen Vorteils willen. 26. September 2006 • Quelle: www.zeit-fragen.ch
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