24 November 2010

€uropa: Eine schrecklich nette Familie


von Frank Meyer
(Kolumne aus den Lübecker Nachrichten)

Nachdem ich meine Phobie vor herrenlosen Koffern in den Griff bekommen konnte, tauchte jene vor der „Irlandkrise“ auf. Nicht nur bärtige Männer sind inzwischen suspekt geworden, sondern auch die finanzielle Lage der armen kleinen Insel Irland...
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Der Markt mit seinen teuflischen Finanzinstrumenten trieb das Land vor sich her, bis Europas Finanzfeuerwehr mit Blaulicht anrückte. Sie wollte unbedingt ihre Hilfsmilliarden loswerden, damit der Euro nicht verpufft, hieß es. Wir sind eben eine schrecklich nette Familie.

Aus Berlin hat es richtig Druck gegeben, dass Irland endlich Platz unterm Rettungsschirm nimmt. Wie fürsorglich! Doch Moment: Gab es da nicht eine wegen der so niedrigen irischen Steuern ausgewanderte Pfandbriefbank, die auf den Namen Depfa hörte und kurz vor dem Finanzknall von Hypo Real Estate aufgekauft wurde? Na klar! Wir zwingen Irland einen Rettungsschirm auf, bringen damit unsere heimischen Schäfchen im Stall der HRE ins Trockene und retten uns damit selbst. Wie clever!

Irlands Banken haben ein dickes Problem, weniger der irische Staat. Mit der Übernahme der verirrten Finanzzombies brachte sich die grüne Insel nahe an den Ruin. Und nun? Man gibt dem Land Kredit, damit es sich bei den Banken Geld leihen kann, die der Staat zuvor stützen musste.

Oder anders ausgedrückt: Ich leihe mir Geld vom Vermieter, damit ich ihm Miete zahlen kann. Dann bleibt alles gut, heißt es. Einen Börsianer kann das alles nicht erschüttern, sagte sich der Dax, explodierte auf ein neues Jahreshoch und tat dabei so, als wäre in Namibia ein Sack Reis umgefallen. Pardon! Ein Koffer...

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