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Wenn
heute in irgendeinem Zusammenhang von Hexen geredet wird, so hat man
automatisch das ausschließlich negative Bild vor Augen, das uns von
Kindheit an durch Märchen, Schule und natürlich durch die Kirche
systematisch vermittelt wurde:
Hexen waren demnach bösartige alte Weiber, die es einzig und allein
darauf abgesehen hatten, mittels Zauberei und in Verbindung mit dem
»Teufel« ihrer Umwelt bzw. anderen Menschen Schaden zuzufügen. Dies
taten sie nicht nur mithilfe von allen möglichen - meist pflanzlichen -
Giften, sondern auch mit diversen Zaubersprüchen und sonstiger
»Zauberei«.
Festgeschrieben sind solche Vorurteile in den gängigen Märchen und
Sagen, und kaum jemand hat sich die Mühe gemacht, diese pauschale
Verurteilung zu widerlegen.
Doch
in unserer heutigen Zeit - die oftmals als »aufgeklärt« bezeichnet
wird, obwohl sie es mitnichten ist - rührt sich doch so mancher
Widerspruch gegen solcherart pauschale Vorurteile. Es finden sich immer
wieder Menschen, die sich die Mühe machen und hinter die Fassaden
solcher Vorurteile schauen, wobei sich oft genug herausstellt, dass
diese Vorurteile grundfalsch sind. So auch bei der »bösen« Hexe.
Dass hier im Laufe von Jahrhunderten nicht nur ein ganzer Berufsstand
verunglimpft wurde - ebenso, wie es mit dem Teufel gemacht wurde -,
sondern auch unzählige völlig unschuldige Frauen (und Männer: als Hexer
bzw. Hexenmeister) auf grausame Art und Weise ermordet worden sind,
obwohl sie mit der »Hexerei« oft genug überhaupt nichts zu tun hatten,
muss zumindest einmal nachdenklich machen. Obwohl es sich hier um ein
millionenfaches Verbrechen handelte, das letztlich - leider muss es
gesagt sein - »im Namen Gottes und der Gerechtigkeit« durch die
christliche Kirche initiiert wurde, sitzt immer noch in den Köpfen
mancher Menschen die Meinung, dass es ja zwar Unrecht gewesen sei, diese
ungeheure Menge an Unschuldigen umzubringen, dass aber die Kirche bei
den »richtigen« Hexen trotz allem ein gewisses Recht gehabt habe, weil
diese doch nur »ihren Mitmenschen Schaden« zugefügt hätten. Wie ist es
sonst erklärbar, dass heute noch Millionen von Gläubigen regelmäßig in
eine solche Kirche gehen, die es bis heute nicht für nötig befunden hat,
wenn schon keine Wiedergutmachung zu leisten - das ist wohl kaum noch
möglich -, dann wenigstens die Schuld einzugestehen und die unschuldigen
Opfer zu rehabilitieren?
Hexen
gab es immer, es gibt sie auch heute noch. Aber das Vorurteil der
»bösen alten Frau« sollten wir doch schnellstens vergessen. Es traf
weder früher noch heute zu, obwohl es nicht auszuschließen ist, dass es
hier und dort »schwarze Schafe« gab und gibt. Diese findet man jedoch
überall.
Doch selbst heute noch wird der Begriff der Hexe in unseren Lexika
ausschließlich negativ definiert. Wurden die negativen Unterstellungen
früher von der Kirche und ihren Vertretern vorgenommen, so wird heute
der »Volksglaube« vorgeschoben. Mit diesem Mäntelchen lässt es sich
wunderbar kaschieren, dass dieser »Volksglaube« sich ja nicht von selbst
entwickelt hat, sondern dass er kirchlicherseits angestiftet und der
Bevölkerung aufoktroyiert wurde. Die Schuld an den Massenmorden ist
damit abgeschoben. Es entsteht zwangsläufig der Eindruck, es sei der
»Volksglaube« gewesen, der die Obrigkeit zu einer Reaktion gegen diese
»bösen Hexen« gezwungen habe. Schauen wir einmal ins Lexikon, dort steht
heute noch:
»Hexen,
dem Volksglauben nach zauberkundige Frauen mit magisch-schädigenden
Kräften. Der Hexenbegriff des Mittelalters resultiert aus der Verbindung
ursprünglich nicht zusammengehörender Elemente des Zauber- und
Aberglaubens (Luftflug, Tierverwandlung, Schadenzauber) mit Lehren der
Dämonologie und Straftatbeständen der Ketzerinquisition. - Voraussetzung
für die Hexenverfolgung ist der Hexenwahn. Er hat sich in drei Perioden
ausgebildet:
Von 400 bis 1230 wurde an die Realität von Hexerei noch nicht
allgemein geglaubt. Die 2. Periode, 1230-1430, ist durch die
pseudowissenschaftliche Untermauerung des Dämonen- und Zauberglaubens -
u.a. durch die Scholastik - bestimmt, die einen besonderen
Verbrechensbegriff, die Hexerei (maleficium), entwickelte. In die 3.
Periode, 1430-1540, fällt der eigtl. Beginn der großangelegten und
systematisch betriebenen Hexenverfolgung. Das unmenschlich grausame
Vorgehen gegen der Hexerei bezichtigte Frauen wurde durch Papst Innozenz
VIII. 1484 eingeleitet. Abschluss der Hexen- und Zaubertheorie bildete
der 1487 von päpstlichen Inquisitoren verfasste Hexenhammer, das für die
Gerichtspraxis maßgebliche Gesetzbuch. Als verfahrensrechtliche
Neuerungen wurden eingeführt die Denunziation anstelle der Anklage und
im Beweisverfahren die Anwendung der Folter und Hexenprobe (als Mittel
zur Erkennung von Hexen, z. B. durch Wasserprobe [Hexenbad], bei der die
Frau ertrinken musste, sofern sie unschuldig war). Ihren Höhepunkt
erreichten die Hexenprozesse zwischen 1590 und 1630.« (Meyers Lexikon, 1993).
Der
Schimpfname »Hexe« entwickelte sich aus »Hagedise« (es gibt
verschiedene Schreibweisen) über Hage-Diesse, Hag´sche, Hägse zu Hexe.
Hagedisen (Hagediessen) waren die weisen Frauen des Mittelalters. Sie
kannten sich aus in Kräuterkunde, Gynäkologie, Geburtenkontrolle usw.
Sie übten die Funktion der ärztlichen Versorgung der Bevölkerung aus.
Ihre Tradition und das alte Wissen schöpften sie mit großer
Wahrscheinlichkeit aus dem Wissen der ehemaligen Druidissinnen, die ja -
zusammen mit den Druiden - bereits von der Kirche ausgerottet waren.
Ihre Kräuter fanden sie im Hag (Hagen). Das ist eine Trockenrasen-Kultur
und war ehemals ein Tabu-Gebiet (Ödland, »Unland«), denn es war für den
Anbau von Nutzpflanzen nicht geeignet. Es war jedoch der ideale
Standort für Heilpflanzen.
Die Hagedisen waren der aufkommenden christlichen Kirche ein Dorn im
Auge, weil sie die alleinige Macht über die Menschen ausüben wollte.
So versuchte die Kirche die Heilkräuter in ihren Klostergärten
anzubauen. Wegen des fehlenden Wissens um die richtigen Standorte der
Kräuter (wo sie die größte Wirksamkeit erreichen) hatten die angebauten,
»kultivierten« Heilkräuter nicht die Wirkung der »Hexen-Kräuter«. Dies
nahm die Kirche zum Anlass, den weisen Frauen zu unterstellen, sie
würden mit Zauberei arbeiten, ein damals todeswürdiges Verbrechen.
Die Verfolgung der »Hexen« artete bald in einen Wahnsinn aus. In einem
Holocaust unvorstellbarer Dimensionen wurden Millionen Unschuldiger
(Frauen als Hexen und Männer als Hexenmeister) ermordet. Eine Anklage
war bereits das Todesurteil, denn eine Verteidigung war für das Opfer
unmöglich. Ein Inquisitionsprozess verlief ausnahmslos mit schlimmsten
Folterungen ab, ehe das gequälte Opfer dann auf einem Scheiterhaufen
verbrannt wurde.
Diese Massenvernichtung hatte mit den weisen Frauen aus dem Hag kaum
noch etwas zu tun, weil jeder von jedem angeklagt werden konnte.
Im
August dieses Jahres (1995) wird in Schongau (Bayern) wieder das
historische Schauspiel »Die Hexe von Schongau« aufgeführt, mit riesigem
Erfolg, das an den großen Schongauer Hexenprozess von 1589 bis 1592
erinnern soll. Eineinhalb Wochen lang findet diese Aufführung tagtäglich
statt: die Leidensgeschichte der Agnes Weiß, die seinerzeit der Hexerei
angeklagt war und - das ist verbürgt und wird auch realistisch
dargestellt - nach peinlichen Verhören schließlich öffentlich verbrannt
wurde.
Dass diese Grausamkeiten damals in dieser Art geschahen, ist schlimm.
Dass solche tiefgreifenden Ungerechtigkeiten, grausamsten Folterungen
und unmenschlichen Morde jedoch kein Einzelfall waren, sondern an
Millionen unschuldiger Frauen (und Männern) begangen wurden - das
interessiert bei diesem »Volksstück« leider nur am Rande.
Ich habe noch von keiner einzigen Trauerveranstaltung für diese
ermordeten Menschen gehört, geschweige denn von einem Mahnmal für diese
Opfer. Auch hat es der Papst bis zum heutigen Tage nicht für nötig
befunden, für diese Untaten namens der Kirche Abbitte zu leisten.
Es wird Zeit, dass wir gewaltig umdenken!
Es
ist nicht damit getan, dass sich in unserer Zeit sogenannte »neue
Hexen« finden, die irgendwelchen ominösen Riten anhängen, bei
Vollmondnächten ihre Orgien feiern und sich dann einbilden, sie würden
die Tradition der weisen Frauen fortsetzen. Es ist geradezu lächerlich,
wenn solche »Neuhexen« versuchen, alte Zauberformeln zu zelebrieren, die
sie nicht verstehen und die nicht im richtigen Zusammenhang stehen,
weil sie nicht original sind, sondern aus Überlieferungen bestehen, die
unter irgendwelchen Foltern erpresst wurden.
Wenn sich heutzutage Menschen als Hexen bezeichnen und unter der
Bezeichnung Wicca o.ä. versuchen, alte Kulte wiederaufleben zu lassen,
so muss dieses Tun zwangsläufig zum Scheitern verurteilt sein.
Ganz ähnlich sind die sogenannten Satans-Sekten einzuordnen. Sie sind
nichts anderes als abartige Auswüchse. Es sind verständliche - wenn auch
nicht gutzuheißende - Reaktionen auf eine jahrhundertelange
Glaubensknechtschaft. Mit einer Tradition hat es allerdings nichts zu
tun, wenn hier (suchende!, denn das sind sie letztendlich) Menschen
höchst gefährliche Praktiken zelebrieren.
In der Tradition der weisen Frauen stehen heute allein diejenigen
Menschen, die in Heilberufen tätig sind und dabei ihre mentalen
(»magischen«) Fähigkeiten zum Wohl der Menschen einsetzen. Sie haben das
Wissen um die Zusammenhänge der Natur wiederentdeckt und wenden es
praktisch an, doch so manche(r) von ihnen wäre froh, hätte er das alte
Wissen der weisen Frauen - der »Hexen« - heute noch zur Verfügung. Diese
Menschen (Frauen wie auch Männer) haben es nicht nötig, mit ihren
Erkenntnissen zu prahlen und anzugeben, und sie tun es auch nicht. Sie
haben es auch nicht nötig, ihre Fähigkeiten in einer Show aufzuziehen
oder irgendwelche Geisterbeschwörungen zu verrichten, die sie wegen des
fehlenden alten Wissens - aufgrund der jahrhundertelangen Ausrottung der
Wissenden - doch nur falsch ausüben würden (man denke an Wolfgang von
Goethe mit seinem »Zauberlehrling«!). Diejenigen, die ihre Fähigkeiten
mithilfe einer Show vermarkten, um den Leuten damit das Geld aus der
Tasche zu ziehen, das sind die heutigen schwarzen Schafe.
Aber die Menschen, die eine (wieder neuentdeckte) Naturheilung
praktizieren - gegen die sich die Pharma-Industrie und die Schulmedizin
(wen wundert das?) vehement wehren -, das sind die wahren Nachfolger der
weisen Frauen.
Begleitend
zu der Aufführung in Schongau findet in diesem Jahr im Stadtmuseum
Schongau die Ausstellung »Der Fliegenpilz: Hexendroge, Zauberpflanze,
Glückssymbol« statt. Hierzu hat der EFODON e.V. wieder - wie zu der
Ausstellung im vorigen Jahr - einen Raum gestaltet. Er zeigt zwei
Hagediessen an einer Quelle im Hagen. Es ist unser Beitrag für ein neues
Verständnis der »verteufelten« weisen Frauen.
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