Atomwaffensperrvertrag und Sperrverträge über konventionelle Waffen sind ausgesetzt
by Rick Rozoff
Das Jahr 2010 begann auf eine Art, wie es sich eigentlich mehr für den dritten Monat des Jahres, der nach dem römischen Kriegsgott benannt ist, geziemt und nicht für den ersten Monat, dessen Name von einer friedlichen Gottheit herrührt.
Am 13.01.2010 berichtete Associated Press, dass das Weiße Haus am 01.02.2010 seinen Vierjahres-Verteidigungs-Bericht an den Kongress übermitteln will und eine Rekordsumme in Höhe von USD 708 Milliarden für das Pentagon fordert. Das ist der höchste absolute, wie auch inflationsbereinigte Betrag seit 1946, dem Jahr nachdem der Zweite Weltkrieg endete. Nehmen wir noch die anderen Verteidigungsausgaben hinzu, die nicht über das Pentagon laufen, könnte die Gesamtsumme USD 1 Billion übersteigen.
Die USD 708 Milliarden beinhalten zum ersten Mal Gelder für die Kriege in Afghanistan und im Irak, welche in den vorangegangenen Jahren zum Teil durch wiederkehrende ergänzende Anforderungen finanziert wurden, enthalten jedoch nicht die im oben genannten Bericht als erste Notanfrage der neuen Regierung angegebene Forderung für denselben Zweck: Angeblich USD 33 Milliarden.
Diesen Monat haben bereits mehrere NATO-Länder weitere Truppen zugesagt und das sogar noch vor der Londoner Konferenz am 28.01.2010, bei der tausende zusätzlicher Truppen dem Krieg zugeteilt werden könnten, in dem bereits über 150.000 Soldaten unter dem Kommando der USA und NATO dienen oder bald ihren Dienst antreten werden.
Washington hat in Pakistan seine tödlichen Raketenangriffe mit Drohnen verstärkt und fordert, dass dieses Modell auch für den Jemen übernommen wird. Dies wird vor allem durch den Senator Carl Levin, den Vorsitzenden des Militärausschusses des Senats (Senate Armed Services Committee), gefordert, der am 13.01.2010 für Luftangriffe und Operationen durch Sondereinsatzkräfte in dem Land plädierte. [1]
Das Pentagon wird unter einem 10-Jahres Militärabkommen, das am 30.10.2009 unterzeichnet wurde, mit der Entsendung von 1.400 Soldaten nach Kolumbien beginnen um sieben neue Basen einzurichten. [2]
In diesem Jahre werden die USA auch ihre USD 110 Millionen teuren Militärbasen in Bulgarien und Rumänien fertigstellen um dort mindestens 4.000 amerikanische Soldaten zu stationieren. [3]
Das neueste Regionalkommando des Pentagons, Africa Command, wird über die aktuellen Operationen zur Bekämpfung Aufständischer in Somalia, Mali und Uganda hinaus seine Aktivitäten entlang der Küsten des Kontinents ausweiten und von einer neu erworbenen Anlage auf den Seychellen Drohnen aufsteigen lassen. [4]
Aber dieser Monat brachte noch dramatischere Entwicklungen und gefährliche Neuigkeiten mit sich. Das Pentagon bewilligte den Abschluss eines USD 6,5 Milliarden Waffengeschäfts mit Taiwan über die Lieferung von 200 antiballistischen Patriot Raketen. Die Volksrepublik China ist entzürnt, so wie es auch Washington wäre, wenn sich die Situation umgekehrt darstellte und Peking ein vergleichbares Waffenarsenal beispielsweise an das unabhängige Puerto Rico lieferte. [5]
Als wäre diese Aktion nicht provokativ genug gewesen, gab der polnische Verteidigungsminister am 20.01.2010 bekannt, dass eine U.S.-Patriot Raketenbatterie und 100 amerikanische Soldaten, welche diese betreiben, nicht wie ursprünglich vorgesehen an den westlichen Ausläufern der Hauptstadt Warschau, sondern in der an der Ostsee gelegenen Stadt Morag, 60 Kilometer von Polens Grenze zu Russland entfernt [6], stationiert werden.
Es ist geplant, dass die Raketenbatterie und die Truppen zwischen März und April eintreffen. Als Teil von Obamas neuen Raketenschutzschildprojekts werden sie bei der NATO integriert um ganz Europa zu umfassen und bis in den Nahen Osten sowie den Kaukasus hineinzureichen. Den Patriot-Raketen folgt dann die Stationierung von Kriegsschiffen mit Standard-3-Abfangraketen (Standard Missile-3, SM-3) in der Ostsee und, das erste Mal überhaupt, die Aufstellung von bodenbasierten Raketen dieser Art. „Das Pentagon wird Kommandoposten mit SM-3-Raketen verlegen, welche Kurzstrecken- wie auch Mittelstreckenraketen abfangen können…“[7] Eine SM-3 Rakete wurde Februar 2008 vom Pentagon dazu verwendet einen Satelliten in die Umlaufbahn zu schießen, um mal eine Angabe zur Reichweite zu liefern.
Weitere Stationierungen werden folgen.
Das neue Raketenabfangsystem der Nach-George-W.-Bush-Regierung wird „vorhandene auf dem Boden und auf See befindliche Raketen [einsetzen]…Die Stationierung verbesserter Raketenverteidigung würde sich bis 2020 erstrecken. Der erste Schritt ist die Bewaffnung von Zerstörern und Kreuzern mit seebasierten Waffensystemen der Aegis-Klasse.“ [8]
„Anschließend würde in einem europäischen Land ein mobiles Radarsystem stationiert…Später würden auch an anderen Orten in Europa höher entwickelte, mobile Systeme stationiert werden. Ihr Herzstück werden…Lockheeds Terminal High Altitude Defense Abfangraketen und verbesserte Standard-3 IB Raketen von…Raytheon sein.“ [9]
Letzten Dezember unterzeichnete Washington eine Truppenstatutsvereinbarung (SOFA), welche Pläne „zur militärischen Stationierung amerikanischer Truppen und militärischer Ausrüstung auf polnischem Gebiet“ formalisiert und „den Weg für die versprochene Stationierung von Patriot-Raketen und US-Truppen…als Teil einer aufgewerteten NATO-Luftverteidigung in Europa freimacht.“ [10]
Im Oktober, kurz nachdem der US-Vizepräsident Joseph Biden Warschau besuchte um den Plan zum Abschluss zu bringen, traf sich der stellvertretende polnische Verteidigungsminister, Stanislaw Komorowski, mit seinem Gegenüber der USA, dem stellvertretenden Verteidigungsminister für internationale Sicherheitsangelegenheiten, Alexander Vershbow, und gab bekannt, dass amerikanische Raketen „gefechtsbereit sein werden und keine Attrappen, wie Washington zuvor vorschlug.“ In demselben Bericht wird zusätzlich angemerkt, dass „Ukrainische und amerikanische Beamte zuvor mitteilten, dass ukrainisches Gebiet auf irgendeine Art bei dem neuen Antiraketenschild genutzt werden könnte.“ [11] Polen grenzt an die russische Enklave Kaliningrad, wohingegen die Ukraine 1.576 Kilometer Grenze mit Russland hat.
Das US-Außenministerium veröffentlichte eine Presseerklärung zu dem Vertrag über die Stationierung amerikanischer Truppen in Polen, den ersten ausländischen Streitkräften die seit dem Ende des Warschauer Pakts 1991 in Polen stationiert werden sollen: „Die Vereinbarung wird ein Spektrum gemeinsam vereinbarter Aktivitäten erleichtern, wozu gemeinsame Ausbildung und Übungen, Stationierungen von US-Militär und voraussichtlich die Stationierung ballistischer Abwehrraketen gehören.“ [12]
Ein Sprecher des Pentagons sagte: „Die US-Armee wird der polnischen Armee bei der Entwicklung ihrer Luft- und Raketenverteidigung helfen. Wenn man das gemeinsame Training bedenkt, was wir mit der polnischen Armee bereits durchführen, so ist dieses Patriot-Trainingsprogramm nur eine Erweiterung dieser Bemühung.“ [13]
Wenn die früheren Pläne, landbasierte Mittelstreckenraketen in Polen zu stationieren, eine, wenn auch unlogische, iranische Raketenbedrohung heraufbeschworen, so können die Patriot-Raketen nur für Russland gemeint sein.
Der russische Generalleutnant Aitech Bizhev, früherer Kommandant der Luftabwehrsysteme der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten, teilte einer der großen Nachrichtenagenturen seines Landes mit:
„Es ist völlig unklar, warum die Luftverteidigungsgruppe der NATO-Nordflanke eine Stärkung braucht – die NATO hat mannigfaltige Überlegenheit gegenüber der bestehenden konventionellen Militärtechnik Russlands.
Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Stationierung von Patriot-Raketen in Polen eine Reihe weiterer Aktionen folgen um die militärische Infrastruktur der Amerikaner in Osteuropa weiter auszubauen…“ [14]
Der Vertrag zur Verringerung strategischer Nuklearwaffen (START) über die Reduzierung und Begrenzung strategischer Offensivwaffen, der zum 05.12.2009 auslief, ist verlängert worden. Aber nach 48 Tagen ist immer noch kein neuer Vertrag zustande gekommen.
Ende letzten Jahres ist der russische Staatspräsident Vladimir Putin zur Verzögerung befragt worden und identifizierte das Haupthindernis, das einer Lösung entgegensteht: „Was ist das Problem? Das Problem ist, dass unsere amerikanischen Partner ein Antiraketenschild errichten und wir keins aufbauen.“
Er führte weiter aus: „Wenn wir kein Antiraketenschild entwickeln, dann besteht die Gefahr, dass sich unsere Partner durch die Schaffung eines solchen „Schirmes“ völlig sicher fühlen werden und es sich daher erlauben können zu tun, was sie wollen, das Gleichgewicht zu stören und die Aggressivität wird umgehend ansteigen.“
Bezüglich der Aussichten, wie es um eine Reduzierung, viel weniger um eine Abschaffung, nuklearer Waffen in Europa und Amerika stünde, ergänzte Putin: „Um das Gleichgewicht zu erhalten…müssen wir ein offensives Waffensystem entwickeln.“ [15] Er wiederholte damit die in der Woche zuvor gemachte Aussage seines ersten stellvertretenden Ministerpräsidenten Medwedew. Das Timing der Ankündigung, dass das Pentagon bald mit der Stationierung von Patriot-Raketen nahe russischen Gebiets beginnt, wird der Sache nicht dienlich sein. Genauso wenig, wie die Behauptung des US-Außenministeriums, dass „die START Nachfolgevereinbarung nicht das geeignete Mittel zur Adressierung“ des Themas von „Raketenangriff und Raketenverteidigung“ ist. [16]
Einen Monat zuvor enthüllten russische Medien, dass „Russlands Strategische Raketenstreitkräfte (SMF), die landbasierte Komponente der nuklearen Dreiergruppe, bis Ende 2009 ein zweites mit einem mobilen Topol-M Raketensystem ausgestattetes Regiment in Gefechtsbereitschaft versetzen werden.
Von der Topol-M-Rakete, mit einer Reichweite von rund 11.000 Kilometern, wird gesagt, dass sie gegenüber der aktuellen und künftigen U.S.-ABM [Antiballistische Raketen] Verteidigung immun sei. Sie ist in der Lage Ausweichmanöver durchzuführen um in der Anflugphase eine Zerstörung durch Abfangraketen [zum Beispiel Patriot-Raketen] zu vermeiden und verfügt über Gegenmaßnahmen und Täuschziele zur Zielablenkung.“ [17]
Genauso, wie die Belieferung Taiwans mit kampfwertgesteigerten antiballistischen Patriot-Raketen (PAC-3) China dazu veranlasste am 11.01.2010 eine bodenbasierte Mittelstreckenabfangübung durchzuführen, ist die Verlegung von US-Militärtechnik und Soldaten an Russland heran ein schlechtes Vorzeichen für einen Vertrag zur Verringerung von Nuklearwaffen.
An der nichtstrategischen Front wird der Vertrag über Konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE-Vertrag), der die Menge und Ausweitung von Rüstungsgütern auf dem Kontinent begrenzt, durch die Pläne der USA und der NATO für ein Raketenschild ebenfalls ernsthaft aufs Spiel gesetzt. Der adaptierte KSE-Vertrag von 1999 ist von keinem NATO-Mitgliedsland ratifiziert worden, was sie mit den sogenannten „gefrorenen Konflikten“ der früheren Sowjetunion in Verbindung brachten. Der Georgisch-Russische Krieg im August 2008 war eine Folge dieser quertreiberischen und angriffslustigen Politik. Die Etablierung von ständigen U.S.- und NATO-Militärbasen im Kosovo, in Bulgarien, Rumänien, Litauen und jetzt in Polen ist ein grober Verstoß und könnte sich als Todesstoß für den KSE-Vertrag erweisen.
Russland hat die Einhaltung seiner Verpflichtungen unter dem KSE-Vertrag am 14.07.2007 wegen „außerordentlicher Umstände [ausgesetzt]…, welche die Sicherheit der Russischen Föderation beeinträchtigen und umgehender Maßnahmen bedürfen.“ [18]
Bei den Umständen, auf die angespielt wurde, handelte es sich um das U.S.-Projekt zur Schaffung von Raketenabfanganlagen in Osteuropa und der allgemeinen Verschiebung von NATO-Basen und Streitkräften in die Regionen der Ostsee und Schwarzen Meeres.
Am 29.11.2009 „veröffentlichte [Russland] einen Vorschlagsentwurf für eine neue europäische Sicherheitsvereinbarung, welche, so der Kreml, die veralteten Institutionen, wie die NATO und die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), ersetzen soll.“ [19]
Die chinesischen Analysten Yu Maofeng und Lu Jingli behaupteten, dass Moskau von Sorgen über die Raketenpläne der USA und der NATO, der Ausweitung der NATO in Richtung Osten an die russischen Grenzen, den Jugoslawien Krieg im Jahre 1999, die westlich finanzierten „farbigen Revolutionen“ in früheren Sowjetstaaten sowie die Nichtratifikation des Vertrages über Konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE-Vertrag) angetrieben wurde.
Seit den vergangenen dreißig Jahren hat jeder nachfolgende Präsident einen vorgeblichen Plan zur Abschaffung von Nuklearwaffen bekanntgegeben, wenn zuvor auch noch keiner von ihnen während seiner Amtszeit den Friedensnobelpreis erhielt. [21] Dafür hatte Jeder von ihnen unbesorgt die Aufrüstung und die bewaffneten Aggressionen im Ausland in dem Bestreben ausgeweitet die weltweite militärische Vorherrschaft zu erlangen. Da ist der gegenwärtige US-Oberbefehlshaber mit seiner außenpolitischen Gefolgschaft von Robert Gates, James Jones und Hillary Clinton keine Ausnahme.
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