18 September 2007

Warum Personalausweis, statt Personenausweis?


Es folgt ein satirischer Beitrag von einem unserer Leser:

"Angst vor der Atombombe", stand in großen Buchstaben auf der Titelseite einer namhaften bunten BRD-Zeitung, die ein Mann mittleren Alters unter dem Armtrug. Vom Verbrechen Nordkoreas war in diesem Blatt die Rede, die Schrift dick und für jedermann weithin sichtbar.

Dieser Zeitungsträger stand in der Schlange vor Viktor Kroll am Postschalter und wollte offenbar ein Päckchen auf die Reise schicken.

"Na", konnte sich Kroll in Anbetracht der fetten Überschrift unter dem Arm seines Vordermanns nicht zurückhalten und fragte lachend, "haben Sie etwa auch eine Zeitbombe da drin? Gegen wen?"

"Hören Sie bloß auf", sagte der Mann erregt, "es genügt doch, wenn Nordkorea der Welt so etwas antut. Haben Sie das hier gelesen?" Er hob seine Zeitung hoch in die Luft, auf daß jeder der hinter ihm Stehenden aufmerksam wurde. Viele Wartende waren es nicht mehr, denn der Rest der Schlange hatte sich bis auf einen dicklichen, übergewichtigen Herren, der sicher älter wirkte als er war, an den anderen Schaltern, von denen inzwischen zwei geöffnet worden waren, verteilt.

"Haben Sie denn wirklich Angst vor der Bombe aus Korea?" Kroll ließ nicht locker. Der Mann vor ihm nickte "natürlich, es ist doch der helle Wahnsinn was dieser Verbrecher da macht!"

"Das gaukeln Ihnen doch nur die Medien vor", lästerte Kroll böse, "die Medien diktieren Ihnen sogar die eigene Meinung, ohne daß Sie es selbst bemerken. Und das, was Sie wirklich wissen sollten, verschweigen die grundsätzlich."

"Entschuldigung, daß ich mich einmische", sagte jetzt der beleibte Mann hinter Kroll, "wovor haben Sie eigentlich Angst? Amerika hat doch schon ewig diese Bombe und nicht nur im Besitz, sondern sie sogar zweimal auf zigtausend unschuldige, wehrlose Menschen geworfen!"

"Aber da haben Sie wohl keine Angst?" Kroll war richtig aggressiv geworden, denn er fühlte sich durch den Dicken hinter sich bestärkt. Der ängstliche Vordermann aber war schon an der Reihe und so blieb seine Antwort aus. Als er den Schalter verließ, trat Viktor Kroll heran und reichte dem Postangestellten einen Schein mit den Worten: "Hier bitte, ich möchte meinen Einschreibebrief abholen."

"Haben Sie Ihren Personalausweis dabei", fragte der Schaltermensch beiläufig.

"Bitte sehr, bitte gern", sagte Kroll freundlich und zog seinen Ausweis aus der Tasche.

Der Postmann warf nun einen kurzen Blick darauf, dann knurrte er: "Abgelaufen."

"Wie - wo - bitte, was ist abgelaufen", murmelte Kroll verstört.

"Na, Ihre Schuhe wird er nicht gemeint haben", gröhlte der Dicke hinter Kroll lachend, "soweit kann der gute Mann doch nicht runtersehen!"

"Mein Personalausweis ist abgelaufen?" Kroll war überrascht. "Aber das Bild darin ist doch noch sehr gut und Sie können mich doch zweifellos darauf erkennen", sagte er etwas nervös, "auch die Adresse und alles andere stimmt ebenfalls. Ich brauche diesen Brief dringend, er ist wichtig und zum Abholen wird doch mein Bild im Personalausweis genügen, oder?"

"Tut mir leid", sagte der Postmensch mitleidlos, "Ihr Personalausweis ist abgelaufen und ich habe meine Vorschriften. Besorgen Sie sich einen neuen Ausweis und dann sehen wir weiter!"

Kroll kochte vor Wut und fuhr erschrocken herum, als ein ungewöhnliches Ächzen hinter ihm ertönte und dann donnerte der dicke Kerl: "Einen neuen Personalausweis? Daß ich nicht lache! Den brauchen Sie wirklich nicht in diesem Staat, denn auch ein neuer Ausweis der "Bundesrepublik" ist illegal! Er lachte verächtlich und fragte höhnisch: "Sagen Sie mal Herr Schalterangestellter, wo ist denn der Unterschied zwischen einem illegalen und einem abgelaufenen Personalausweis?"

"Bitte, was? Wie meinen Sie das?" Der Herr Schalterangestellte zeigte sich verständnislos und Kroll stand noch immer am gleichen Platz, da er jetzt ein erquickliches, kämpferisches Wortgefecht zwischen den beiden zu wittern schien. Der Schalterangestellte dagegen sah nun mit kalten Fischaugen durch Kroll hindurch, der für ihn offensichtlich nicht mehr existierte, da er nicht im Besitz eines gültigen Personalausweises der BRD war. "Bitte sehr", sagte er kurz zu dem Dicken, sah ihn mißtrauisch an und fragte mürrisch: "Was wollen Sie eigentlich?"

"Nur ein paar Briefmarken kaufen", quakte der Dicke, "wollen Sie dafür auch meinen illegalen Personalausweis sehen? Der ist zwar gültig, aber keineswegs in Ordnung, aber wenn Ihnen der genügt, hier bitte!"

"Lassen Sie ihn stecken", winkte der Mann ab, "den brauche ich nicht für Ihre Briefmarken, aber was haben Sie denn gegen den Personalausweis?" Der Postmensch kroch vor lauter Neugierde fast durch sein Schalterloch. Der dicke Mann holte so tief Luft, daß ihm sämtliche Knöpfe vom Hemd zu springen drohten: "Wenn Sie und die meisten Bundesbürger sich nur ein einziges Mal die Mühe gemacht hätten, ihren Ausweis genau zu betrachten, wären Sie zu dem gleichen Ergebnis gekommen wie ich", dröhnte sein tiefer Baßbariton und es klang verächtlich.

"Nämlich?", fragte jetzt Kroll interessiert.

"Ist Ihnen wirklich noch nicht aufgefallen", dozierte der Dicke, "daß alle Bürger in ihrem Personalausweis als "deutsch" ausgewiesen werden? Gibt es einen Staat namens "Deutsch"? Nein, es gibt ihn nicht. Das wissen wir alle."

"Es gibt ja auch keinen Friedensvertrag", mischte sich Kroll ein, "und das bedeutet im Klartext, daß wir noch immer keinen Frieden haben!"

"Genauso ist es", nickte der Dicke, "somit haben wir auch keinen souveränen Staat und werden noch immer von unseren Siegermächten regiert!"

"Also ein reiner Marionettenstaat, wenn man so will", zog Kroll Bilanz.

"Streng genommen handelt es sich um ein reines Besatzungsinstitut, das gar kein wirklicher Staat ist", brüllte der Dicke laut und wütend.

Die Menschen im Raum, die bei der tiefen lauten Stimme des Dicken aufmerksam geworden waren, hatten sich langsam genähert und eine illustre Gesellschaft stand nun dicht beieinander.

"Sind das jetzt etwa neonazistische Töne?", wurde eine Stimme laut, die einem jungen Mann gehörte. Es lag etwas Drohendes darin. Seine Partnerin lehnte sich an ihn und sagte beschwichtigend: "Nöööh, nöööh, ein Nazi ist das bestimmt nicht, denn der hat doch gar keine Glatze".

Hier war Viktor Kroll plötzlich in seinem Element: "Leute die Glatzen tragen, womöglich noch mit einem eintätowierten Hakenkreuz sind keine Nazis", schimpfte er, "sie sind nur elende Dummköpfe und Chaoten oder aber beabsichtigen bewußt, die letzten national denkenden Menschen auszuschalten. Zwischen einem Nazi und einem überzeugten Nationalsozialisten nämlich besteht ein Unterschied so groß wie zwischen einem Bundesrepublikaner und einem Reichsbürger".

Bei dem Wort Reichsbürger wurde es unruhig in der Runde und etwas wie "wollen wir nicht wieder" war zu vernehmen, da jeder Ahnungslose sofort an das 3. Reich Adolf Hitlers, nicht aber an das von Bismarck gegründete Reich denkt.

"Wobei wir wieder beim Thema wären", schmetterte der Dicke, "ich bin also ein deutscher Reichsbürger und gebe es auch offen zu", drehte er sich stolz wie ein Gockel als stünde er hoch auf einem Podest, "seht mich an! Der Mann hinter dem Schalter aber ist ein typischer Bundesbürger. Zwischen ihm und mir liegen ganze Welten! Aber in beiden Fällen ist eines klar: Einen "Deutsch" gibt es nicht und somit auch nicht den Staat "Deutsch", wenn Sie wissen, was ich meine!"
Und er malte bei dem Wort "Deutsch" die Anführungszeichen mit seinen dicken Fingern in die Luft.

"Dann müßte es ja eigentlich nicht Personal-, sondern Personenausweis heißen", mischte Kroll jetzt wieder mit.

Der Dicke freute sich deutlich, hier in der Masse der mündigen Bundesbürger offensichtlich einen Gleichgesinnten getroffen zu haben. "Richtig", grunzte der Bariton vergnügt, "in allen anderen Staaten wird das Land als Staatsangehörigkeit angegeben."

"In diesem Fall also müßte der Name Deutschland und nicht "deutsch" in unserem Ausweis stehen", ergänzte Kroll verstehend.

Noch immer schwieg das inzwischen ansehnliche Grüppchen um Kroll und den Dicken herum.

"Ist das nun absoluter Schwachsinn oder rechtsextremistischer Blödsinn", fragte eine junge Frau unsicher aber sehr hörbar ihren betagten Nebenmann. Der wiegte bedächtig sein Haupt, dachte lange nach und sagte besonnen: "Blödsinn ist es sicher nicht, ich glaube es ist die Wahrheit. Es macht ja Sinn, was dieser Herr sagt! Und ich denke, mit "Rechtsextremismus" hat das nichts zu tun. Als Rechtsextremist gilt doch heutzutage jeder sofort, der diesen Staat zu Kritisieren wagt" Mit seinen letzten Worten war er, vielleicht um etwas Aufmerksamkeit zu erregen, ziemlich laut geworden und der Dicke sah ihn sofort triumphierend an: "Jawohl, mein Lieber und überhaupt meine Damen und Herren, die Sie mir hier zuhören", wie ein Redner am Pult fuhr er nun fort: "Gleich nach dem Krieg wurden ja schon diese Personalausweise in der Zone ausgestellt. Im Grunde genommen sind wir alle nichts anderes als immer noch das Personal der Alliierten, das Personal der heutigen Bundesrepublik, eines Marionettenstaates!"

Ein Raunen ging durch die Menge und durch eine Seitentür zwängte sich gleichzeitig ein Kompetenzbolzen der Postgilde und rief sehr laut aber recht unsicher in den Raum: Machen Sie hier etwa eine politische Veranstaltung? Das geht nicht, meine Herrschaften. Ich muß Sie alle bitten, unseren Schalterraum sofort zu verlassen!"

"Moment mal", dröhnte jetzt der Dicke mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete. Wie ein Fels in der Brandung stand er von seinen Zuhörern umringt und brüllte: "Wir kommen hier lediglich der Aufforderung nach, unsere Personalausweise vorzulegen. Über diesen bundesdeutschen Personalausweis aber habe ich einiges zu sagen. Und nun, meine Damen und Herren", widmete er sich wieder ruhig seinem Publikum, "nun kommt der allergrößte Hammer! Lassen Sie uns alle unseren Personalausweis herausholen. Das ist schließlich in einem Schalterraum der Post nicht verboten. Wir wollen ihn endlich mal genau betrachten."

"Eigentlich", fuhr der Gewichtige fort, "müßte dieser Ausweis ja Personenausweis heißen". "Nun, meine Freunde", hörte man den feurigen Dicken wieder sagen, "laßt uns dieses Stück Papier einmal umdrehen. Was erkennen wir da auf der Rückseite?"

Es folgte Stille, dann leises unsicheres Gemurmel, bis Kroll plötzlich meckernd schrie, als sei er nicht ganz bei Sinnen: "Einen Ziegenbockkopf! Ich sehe einen Ziegenbockkopf auf der Rückseite! Wirklich und wahrhaftig!"

"So könnte man es auch nennen, meine Freunde", sagte der Dicke sanft, "aber leider ist es kein Ziegenbockkopf, sondern der Leibhaftige, der Teufel höchstpersönlich!"

"Was ist das für ein Staat - Ein Symbol für den Teufel auf unserem Personalausweis" sagte Kroll wie benommen, "wer hätte das gedacht? Ich fasse es nicht!"

"Aber da gibt es ja auch noch einen Unterleib", erklärte der Dicke seinen Zuhörern, die sich zahlenmäßig inzwischen stark verringert hatten, "da sind Symbole für männliche und weibliche Geschlechtsorgane und........."

Aber das interessierte nur noch wenige. Die meisten älteren Leute hatten sich errötend zurückgezogen. Alle wußten, pornografische Szenen gibt es schon genug in den öffentlichen Pornoläden, dazu braucht man wirklich nicht auch noch seinen Personalausweis. Der Teufel darauf hatte ihnen schon genügt und wie es sich für treue "mündige" Bundesbürger gehört, wollten sie von der ganzen Sache gar nichts mehr wissen. Wie das Wasser im Abflußloch der Badewanne verschwanden auch die Postbesucher rasch durch den Haupteingang.

Viktor Kroll und der Dicke sahen sich an. "Typisch", sagte der Dicke, "man kann die Menschen einfach nicht aufklären, sie wollen die Wahrheit gar nicht wissen, sie haben kein bißchen Interesse!"

"Solange sie genug zu fressen haben ist das so", reagierte auch Kroll traurig, "die Wahrheit ist meist unbequem und oft sogar mit Gefahren verbunden. Es ist ja auch ein heißes Eisen, ein starker Tobak, was wir da gerade von Ihnen vernommen haben. Die meisten Bürger haben Angst, nackte Angst. - Mein Name ist übrigens Kroll, Viktor Kroll", sagte er und reichte dem Dicken seine Hand.

"Ich heiße Liebmann, bin aber alles andere als ein Gutmensch. - Man kann nicht die ganze Welt hinter sich haben, lieber Kroll, aber daß wir beide uns getroffen haben ist doch schon sehr viel. Man findet schließlich nicht an jeder Ecke einen Gleichgesinnten, denn diese Leute sind rar geworden".

"Aber nein, das stimmt so nicht. Ich denke, es werden immer mehr Gleichgesinnte", sagte Kroll zuversichtlich.

Auch der Schalterangestellte hatte seine Luke zwischenzeitlich dicht gemacht und war verschwunden. Ein Schild mit der Aufschrift "Geschlossen" verdeckte jetzt das Sprachloch.

Als Kroll und Liebmann draußen auf der Straße standen, schlug sich der dicke Liebmann mit der flachen Hand vor die Stirn: "Meine Briefmarken!"

"Wo haben Sie die denn gelassen", fragte Kroll.

"Die hat mir dieser Trottel da drin gar nicht erst verkauft", schimpfte Liebmann, "da muß ich gleich nochmal rein!"

"Es ist inzwischen Mittag", sagte Kroll, "diese Filiale hat gerade geschlossen! Vergessen Sie es, geben Sie auf!"

"Ich gebe niemals auf, zum Teufel", sagte Liebmann und man sah ihm an, daß er die Wahrheit sagte.

"Teufel - Teufel", sagte auch Kroll, "dieser Personalausweis!" Dann tauschten sie noch ihre Adressen und Rufnummern aus und verschwanden in gegensätzliche Richtungen.

A.Lachmann
 

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