22 September 2007

Deutsche Dichter und Denker (Friedrich Hölderlin)



Hymne an den Genius der Jugend
Heil! das schlummernde Gefieder
Ist zu neuem Flug' erwacht,
Triumphirend fühl' ich wieder
Lieb' und stolze Geistesmacht;
Siehe! deiner Himmelsflamme,
Deiner Freud' und Stärke voll,
Herrscher in der Götter Stamme!
Sei der künen Liebe Zoll.

Ha! der brüderlichen Milde,
So von deiner Stirne spricht!
Solch' harmonisches Gebilde
Waidete kein Auge nicht;
Wie um ihn die Aare schweben,
Wie die Lok' im Fluge weht! -
Wo im ungemeßnen Leben
Lebt so süße Majestät?

Lächelnd sah' der Holde nieder
Auf die winterliche Flur,
Und sie lebt und liebet wieder
Die entschlummerte Natur;
Um die Hügel und die Thale
Jauchz' ich nun im Vollgenuß,
Über deinem Freudenmahle,
Königlicher Genius!

Ha! wie diese Götteraue
Wieder lächelt und gedeiht!
Alles, was ich fühl' und schaue,
Eine Lieb' und Seeligkeit!
Felsen hat der Falk' erschwungen,
Sich, wie dieses Herz, zu freu'n,
Und, von gleicher Kraft durchdrungen,
Strebt und rauscht der Eichenhain.

Unter liebendem Gekose
Schmieget Well' an Welle sich;
Liebend fühlt die süße Rose,
Fühlt die heil'ge Myrthe dich;
Tausend frohe Leben winden
Schüchtern sich um Tellus Brust,
Und dem blauen Aether künden
Tausend Jubel deine Lust.

Doch des Herzens schöne Flamme,
Die mir deine Huld verlieh,
Herrscher in der Götter Stamme!
Süßer, stolzer fühl' ich sie;
Deine Frülinge verblühten,
Manch' Geliebtes welkte dir; -
Wie vor Jahren sie erglühten,
Glühen Herz und Stirne mir.

O! du lohnst die stille Bitte
Noch mit innigem Genuß,
Leitest noch des Pilgers Tritte
Zu der Freude Götterkuß;
Mit der Balsamtropfe kühlen
Hofnungen die Wunde doch,
Süße Täuschungen umspielen
Doch die dürren Pfade noch.

Jedem Adel hingegeben,
Jeder lesbischen Gestalt,
Huldiget das trunkne Leben
Noch der Schönheit Allgewalt;
Thörig hab' ich oft gerungen,
Dennoch herrscht zu höchster Lust,
Herrscht zu süßen Peinigungen
Liebe noch, in dieser Brust.

An der alten Thaten Heere
Waidet noch das Auge sich.
Ha! der großen Väter Ehre
Spornet noch zum Ziele mich;
Rastlos, bis in Plutons Hallen
Meiner Sorgen schönste ruht,
Die erkorne Bahn zu wallen,
Fühl' ich Stärke noch und Muth.

Wo die Nektarkelche glühen,
Seiner Siege Zeus genießt,
Und sein Aar, von Melodien
Süß berauscht, das Auge schließt,
Wo, mit heil'gem Laub' umwunden,
Der Heroen Schaar sich freut,
Fühlt noch oft, von dir entbunden,
Meine Seele Göttlichkeit.

Preis, o Schönster der Dämonen!
Preis dir, Herrscher der Natur!
Auch der Götter Regionen
Blüh'n durch deine Milde nur;
Trübte sich in heil'gem Zorne
Je dein stralend Angesicht -
Ha! sie tränken aus dem Borne
Ew'ger Lust und Schöne nicht!

Eos, glühend vom Genusse,
Durch die Liebe schön und groß,
Wände sich von Tithons Kusse
Alternd und verkümmert los;
Der in königlicher Eile
Lächelnd durch den Aether wallt,
Phoebus trauert' um die Pfeile,
Um die Künheit und Gestalt.

Träg zu lieben, und zu hassen,
Ganz, von ihrer Siegeslust,
Ihrer wilden Kraft verlassen,
Schlummert' Ares stolze Brust;
Ha! den Todesbecher tränke
Selbst des Donnergottes Macht! -
Erd' und Firmament versänke
Wimmernd in des Chaos Nacht.

Doch in nahmenlosen Wonnen
Feiern ewig Welten dich,
In der Jugend Stralen sonnen
Ewig alle Geister sich; -
Mag des Herzens Gluth erkalten,
Mag im langen Kampfe mir
Jede süße Kraft veralten,
Neuverschönt erwacht sie dir!
(Geb:1770 Lauffen bei Neckar Ges.1843 in Tübingen)
StA, Band 1, Seite 168.
 

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