24 Juli 2006

Vaterlandslose Gesellen


Von Harald Neubauer
Ein gutmütigeres Volk wird man kaum finden: Bis zum 5. Juli haben die Deutschen allein dafür geschuftet, ihre diesjährigen Steuern und Abgaben entrichten zu können. Mehr als ein halbes Jahr macht sich jeder arbeitende Bundesbürger nur für den Staat krumm. Das hat der "Bund der Steuerzahler" errechnet. Und welche Gegenleistung erbringt die holde Obrigkeit? Jedenfalls keine, die man als angemessen empfinden könnte. Ein Großteil der Infrastruktur dieses Landes wurde bereits von vorherigen Generationen finanziert. An der Instandhaltung mangelt es allenthalben. Statt dessen wird öffentliches Eigentum auf Teufel komm raus an ausländische Renditejäger verscherbelt.
Die vom Bürger finanzierten Ämter und Behörden nehmen für nahezu jeden Handschlag zusätzliche Gebühren. Schon wird überlegt, auch den privaten Straßenverkehr mautpflichtig zu machen, obwohl die Autofahrer über Kfz- und Mineralölsteuer jeden Eimer Asphalt längst doppelt und dreifach bezahlt haben. Wetten, daß danach Radfahrer und Fußgänger zur Kasse gebeten werden? Niemand bleibt ungeschoren. Auch Atemluft und Sonnenlicht harren dringend der Besteuerung.
Seitdem die große Koalition regiert, tun sich Schwarze und Rote mit der Abzockerei besonders leicht. Keiner fällt dem anderen mehr in den Greif-Arm. Die ach so kritischen Medien halten weitgehend still, weil sie sich ebenfalls nach Berliner Farbenlehre ausrichten. Der schamlose Bruch von Wahlkampfversprechungen wurde gar nicht erst thematisiert. Am Ende hätte sich die Frage aufgezwungen, ob solche Parteien überhaupt noch einen Schuß Pulver wert sind.
Apropos Medien: Dieser Tage gab Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner dem "Spiegel" (25/2006) ein Interview. Darin das Bekenntnis: "Ich bin ein nichtjüdischer Zionist. Israel ist ein Land, dessen Existenz gesichert werden muß... Mein Freiheitsbegriff steht über dem Dreieck: Amerika, Israel, Marktwirtschaft." Und Deutschland? Das hat laut Döpfner seine "Bewährungsprobe" noch nicht bestanden. "Für mich ist der Beweis, ob Deutschland wirklich freiheitsfähig ist, im umfassendsten Sinne, noch nicht erbracht."
Nationale Prioritäten? Lieber nicht. Das von Döpfner beschriebene Dreieck überlagert alles. So kommt es denn, daß die politischen und finanziellen Belastungen für Deutschland immer drückender werden: Rekord-
Steuererhöhungen, Rekord-Abgabensteigerungen, Rekord-Neuverschuldungen - und kein Ende in Sicht. Immense Summen fließen außer Landes, ohne daß darüber eine Gesamtstatistik erhältlich ist. Unablässig wird sinniert, wie man die hart erarbeiteten Sozial- und Rentenansprüche der Einheimischen zurückstutzen kann; aber die Milliardenkosten für ausländische Fürsorgeempfänger in Deutschland bleiben tabu.
Ebenfalls neue Rekorde feiert der Export deutscher Arbeitsplätze. Allein bei Siemens sind nochmals 9000 Stellen gefährdet. Ähnliche Hiobsbotschaften von Autoherstellern, Banken, Versicherungen. Als wollten sie die Betroffenen auch noch verhöhnen, schwelgen Politik und Medien in realitätsblindem Zweckoptimismus. Angela Merkel sieht Licht am Ende des Tunnels, verschweigt bloß, daß es sich dabei um den entgegenkommenden Zug handelt. Und CSU-MdB Peter Ramsauer läßt sein kaufmännisches Genie in dem Ratschlag aufblitzen, der Wirtschaft sei geholfen, indem man gut über sie rede. Also ein dreifaches Hipphipphurra auf Siemens! Und gleich noch Salut für die Allianz-Manager, die ihrerseits 7500 Beschäftigte "abzubauen" gedenken.
Nur Michael Sommer stört. Es gebe in Deutschland Unternehmen, "die sich als vaterlandslose Gesellen herausstellen", schimpft der DGB-Vorsitzende über die Allianz. Dürfen wir vorsichtig gegenfragen, warum Vaterlandslosigkeit ein Privileg von Politikern und Gewerkschaftsfunktionären bleiben soll? Anläßlich der Fußball-WM veröffentlichte die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ein Agitationspapier gegen das Deutschlandlied, weil dies - auch in seiner dritten Strophe - einen "nationalistischen" Ansatz habe. Die Unterscheidung von Deutschen und Ausländern entspreche nicht der "Realität des Alltags".
Demnach dürfte es auch egal sein, ob Siemens in München oder Helsinki produziert. Da wie dort freuen sich Menschen über Arbeitsplätze. Der völkische Bezug ist irrelevant, und nationalstaatliche Regierungen können wir uns sparen. Um die "deutsche" wäre es tatsächlich nicht schade.
 

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